Zytostatika (Chemotherapeutika): Alkylantien Texte aus: Handbuch Medikamente, Stiftung Warentest, Berlin, 3 Aufl. 2000 Handelsnamen von Medikamenten: Kursiv, D Deutschland, A Österreich Alkylantien verbinden sich in der Zelle mit der Erbsubstanz DNA. Die Stränge der DNA werden dabei eng miteinander vernetzt oder brechen auseinander, so dass die Erbinformation nicht mehr weitergegeben werden kann. Dann teilt sich die Zelle nicht mehr und stirbt ab. Zu den Alkylantien gehören die Wirkstoffe Bendamustin, Busulfan, Carmustin, Chlorambucil, Cyclophosphamid, Dacarbazin, Estramustin, Ifosfamid, Lomustin, Melphalan, Mitomyzin C, Nimustin, Thiotepa, Treosulfan und Trofosfamid. Grundsätzlich gelten alle allgemeinen Angaben zu Zytostatika. Im Folgenden werden zusätzlich die Besonderheiten bei den einzelnen Wirkstoffen beschrieben. Bendamustin D Ribomustin Bendamustin wird in der Leber zu der eigentlich aktiven Wirksubstanz abgebaut und über die Nieren ausgeschieden. Anwendung Bendamustin wird in die Vene gespritzt bzw. infundiert. Je nach Krebsart und -größe erfolgt die Behandlung an 5 Tagen hintereinander, wobei zwischen jedem Therapiezyklus ein Abstand von 3-4 Wochen liegen sollte. Achtung Wenn Nieren oder Leber nur eingeschränkt arbeiten, sollten Sie kein Bendamustin bekommen. Unerwünschte Wirkungen Wenn Bendamustin allein gegeben wird, bleibt der bei Zytostatika sonst häufige Haarausfall meist aus. Häufig, aber unbedenklich Hautreizungen an der Injektionsstelle, vor allem, wenn Bendamustin innerhalb weniger Sekunden gespritzt wird (Bolusinjektion). Eine so schnelle Injektion ist unnötig. Busulfan D Myleran A Myleran Dieser Wirkstoff ist darauf gerichtet, unreife Zellen des Blutes in reife zu überführen. Das Ziel ist, die bei verschiedenen bösartigen Bluterkrankungen (chronische myeloische Leukämie, Polyzythämia vera, essentielle Thrombozytose) enorm gesteigerte Anzahl unreifer Zellen zu verringern. Anwendung Busulfan bekommen Sie als Tabletten, meist über Monate oder Jahre, um einen Rückfall zu verhindern. Achtung Wenn Sie noch andere Medikamente oder Behandlungsmethoden erhalten, ist zu beachten: - Busulfan verstärkt die Wirkung von Bestrahlungen.
- In Kombination mit Thioguanin (bei Leukämie) kann im venösen System der Leber ein Überdruck entstehen, so dass sich das Blut in den umgebenden Venen - vor allem im Bereich der Speiseröhre - staut und diese weitet. Dadurch können sich in der Speiseröhre Krampfadern bilden, die bluten können.
- In Kombination mit Allopurinol (bei Gicht) können sich in der Haut erbsengroße Knoten bilden.
Unerwünschte Wirkungen Häufig und gefährlich Sobald die Anzahl der weißen Blutkörperchen zu stark absinkt, müssen Sie die Tabletten absetzen, weil sonst das Knochenmark unwiederbringlich geschädigt wird. Zu beachten ist dabei, dass die Leukozytenzahl auch noch 2-4 Wochen nach Absetzen der Medikamente weiter sinken kann. Selten und unbedenklich Braune Flecken auf der Haut, trockene Haut, Hautausschlag mit Bläschen und/oder Quaddeln. Selten, aber gefährlich Als allergische Reaktion auf Busulfan können Knochenmarkschäden vorkommen. Sie treten meist schon kurz nach Beginn der Einnahme auf und sind bei Blutbildkontrollen zu erkennen. Deshalb müssen Ärztin oder Arzt das Blutbild anfangs wöchentlich prüfen. Machen sich in dieser Phase Knochenmarkschäden bemerkbar, ist die Therapie sofort abzubrechen. Die Anzahl spezieller Abwehrzellen (T-Lymphozyten) kann absinken. Häufige Folge: Pilz- und Bakterieninfektionen (z. B. Tuberkulose). Das Lungengewebe kann sich verändern ("Busulfan-Lunge") und - abhängig von der Dosis - eine nicht-bakterielle Lungenentzündung (Pneumonitis) auftreten. Die Augenlinse kann trüb werden (grauer Star). Wenn der Blutdruck stark absinkt und Sie sich extrem kraftlos und schwach fühlen (schon das Halten der Kaffeetasse fällt schwer) und sich die Haut dunkel verfärbt ("Pseudo-Addison-Syndrom"), muss Busulfan sofort abgesetzt werden. Wenn Sie Busulfan sehr hoch dosiert schlucken, erhöht sich das Risiko für epilepsieähnliche Krampfanfälle. Wenn Sie Busulfan jahrelang einnehmen müssen, steigt die Gefahr, dass sich später (auch noch mehr als 10 Jahre danach) ein anderer Tumor oder eine Leukämie ausbildet. Carmustin D Carmubris A Carmubris Neben den sonst für Alkylantien üblichen Wirkmechanismen hemmt Carmustin auch die Reparatur der Erbsubstanz DNA und damit die Teilungsfähigkeit der Zelle. Es überwindet die Blut-Hirn-Schranke, die normalerweise die Nervenzellen des Gehirns vor Fremdsubstanzen schützt. Deshalb ist Carmustin vor allem bei Hirntumoren gut anwendbar und wirkt in Kombination mit Operation und Bestrahlung teilweise sogar heilend. Carmustin bleibt nur kurz im Körper, die Hälfte des Wirkstoffs ist bereits nach 2 Stunden abgebaut und wird über den Darm ausgeschieden. Anwendung Carmustin wird 1 x alle 6 Wochen als mindestens 30-minütige Kurzinfusion gegeben. Carmustin darf nicht mit der Haut in Berührung kommen, weil es diese verätzen kann. Wenn das Mittel aus Versehen auf die Haut getropft ist, müssen Sie es sofort mit viel Wasser abwaschen. Achtung Bei schweren Nierenfunktionsstörungen darf Carmustin nur in stark verringerter Dosis angewandt werden. Wenn Sie noch andere Medikamente nehmen, ist zu beachten: - Carmustin verstärkt die unerwünschten Wirkungen von Cimetidin (bei Magengeschwür), Verapamil (bei hohem Blutdruck) und Metronidazol (bei Trichomonaden).
- Carmustin verringert die Wirksamkeit von Amphotericin B (bei Pilzinfektionen) und Phenytoin (bei Epilepsie).
- Phenobarbital (bei Epilepsie) kann die Wirkung von Carmustin abschwächen.
Unerwünschte Wirkungen Häufig und gefährlich Die Wirkung auf die blutbildenden Knochenmarkzellen setzt häufig verzögert ein: 4-5 Wochen nach der Infusion ist der Tiefpunkt für die Produktion von Blutplättchen erreicht, für weiße Blutzellen 5-6 Wochen danach. Deshalb liegen zwischen 2 Infusionen mindestens 6 Wochen. Treten in dieser Zeit kleine, flohstichartige rote Flecken auf der Haut sowie starkes Zahnfleisch- oder Nasenbluten auf (beides Zeichen für eine zu geringe Zahl von Blutplättchen und damit starke Blutungsneigung), müssen Sie sofort Ärztin oder Arzt informieren. Carmustin kann die Funktion von Nieren und Leber beeinträchtigen. Deshalb müssen Ärztin oder Arzt regelmäßig die Blutwerte kontrollieren. Bei langfristiger hochdosierter Einnahme können nicht-bakterielle Lungenentzündung (Pneumonitis) oder Verhärtungen des Lungenbindegewebes (Fibrose) mit Luftnot und Sauerstoffmangel auftreten. Diese unerwünschten Wirkungen zeigen sich oft erst viele Monate oder Jahre nach der Behandlung. Hinweise Für Männer Carmustin kann die Zeugungsfähigkeit (nicht die Potenz) dauerhaft beeinträchtigen. Für Kinder unter 14 Jahren Die oben erwähnten Lungenschäden treten bei Kindern unter 5 Jahren besonders häufig auf. Carmustin kann schon bei Knaben dazu führen, dass sie zeugungsunfähig werden. Chlorambucil D Leukeran A Leukeran Zur Wirkung von Chlorambucil siehe Alkylantien. Anwendung Chlorambucil-Tabletten nehmen Sie so lange, bis die bestmögliche Wirkung erreicht ist, oder in mehreren Zyklen jeweils 14 Tage lang täglich. Achtung Wenn die Zahl der weißen Blutkörperchen stark abfällt, sollte Chlorambucil abgesetzt und erst dann erneut angewandt werden, wenn sie wieder auf normale Werte angestiegen ist. Wenn Sie noch andere Medikamente nehmen, ist zu beachten: - Chlorambucil kann die Wirkung von Ciclosporin (nach Organtransplantationen) abschwächen.
- Prednison-haltige Mittel (bei Asthma, Rheuma oder Entzündungen) und Vitamin A verstärken die Wirkung von Chlorambucil.
Bei Speisen und Getränken Einige Nahrungsmittel (z. B. Zwiebeln, Knoblauch) können die Aufnahme des Wirkstoffs ins Blut behindern. Deshalb ist es sinnvoll, die Tabletten 1-2 Stunden vor dem Essen mit reichlich Flüssigkeit einzunehmen. Unerwünschte Wirkungen Selten, aber gefährlich Epilepsieähnliche Krampfanfälle. Bei langfristiger hochdosierter Einnahme können nicht-bakterielle Lungenentzündung (Pneumonitis) oder Verhärtungen des Lungenbindegewebes (Fibrose) mit Luftnot und Sauerstoffmangel auftreten. Wenn Sie Chlorambucil jahrelang einnehmen, steigt die Gefahr, dass sich später ein bösartiger Tumor oder eine Leukämie ausbildet. Cyclophosphamid D CYCLO-cell, Cyclophosphamid-biosyn, Cyclostin, Endoxan A Endoxan Zur Wirkung von Cyclophosphamid siehe Alkylantien. Anwendung Cyclophosphamid wird in sehr unterschiedlichen Dosierungen und Zeitabständen als Dragée oder Infusion gegeben. Dragées sollten Sie morgens möglichst unzerkaut 1/2 Stunde vor dem Frühstück mit einem großen Glas Wasser einnehmen. Bei den Infusionen ist es egal, zu welcher Tageszeit sie gelegt werden. Wegen des hohen Risikos für Blasenentzündungen müssen Sie während der Behandlung viel trinken, um die Blase häufig zu entleeren. Ratsam sind 2-3 Liter pro Tag, vorzugsweise Wasser (ohne Kohlensäure), verdünnte Obstsäfte, Kräutertee. In sehr niedriger Dosierung (5 mg pro kg Körpergewicht) wird Cyclophosphamid gegen Autoimmunerkrankungen wie rheumatoide Arthritis oder Sklerodermie eingesetzt, vor allem, wenn keine anderen Wirkstoffe helfen. Bei dieser Dosierung treten die hier aufgeführten unerwünschten Wirkungen bis auf die Blutbildveränderungen kaum auf. Auch die angegebenen Gegenanzeigen gelten in diesen Fällen nicht unbedingt. Achtung Unter folgenden Bedingungen dürfen Sie kein Cyclophosphamid bekommen: - Ihre Leber oder Nieren arbeiten nur noch eingeschränkt.
- Sie haben eine stark vergrößerte Prostata, und der Urin kann deshalb nicht mehr uneingeschränkt fließen.
- Sie neigen zu Blasenentzündungen oder haben gerade eine.
Wenn Sie noch andere Medikamente nehmen, ist zu beachten: - Allopurinol (bei Gicht) oder Thiaziddiuretika (bei hohem Blutdruck) können die schädlichen Wirkungen auf das Knochenmark (siehe Häufig und gefährlich) verstärken, weil sie die Ausscheidung von Cyclophosphamid verzögern.
- Cimetidin (bei Magengeschwür) und Phenobarbital (bei Epilepsie) können die erwünschten und unerwünschten Wirkungen von Cyclophosphamid verstärken.
- Cyclophosphamid verstärkt die Wirkung von Sulfonylharnstoff (bei Typ-2-Diabetes). Dies kann leicht dazu führen, dass das Blut zuwenig Zucker enthält, so dass die blutzuckersenkenden Tabletten ggf. niedriger dosiert werden müssen. Sie müssen den Blutzucker deshalb häufiger als sonst kontrollieren.
- Wird Cyclophosphamid mit den Zytostatika Doxorubizin, Methotrexat oder Fluorouracil kombiniert, kann sich die Schleimhaut in der Speiseröhre verändern. Manchmal werden die Fingernägel weiß oder bekommen Rillen.
Unerwünschte Wirkungen Haarausfall tritt kaum auf, wenn Dragées angewandt werden. Bei Infusionen hört er rasch wieder auf, häufig sogar noch während der Therapie. Häufig und gefährlich Wenn Cyclophosphamid im Körper zu der eigentlich wirksamen Substanz umgebaut wird, entsteht ein für den Harntrakt giftiges Abbauprodukt, das vor allem Blasenentzündungen mit oder ohne blutigen Urin hervorrufen kann. Wenn Sie beim Wasserlassen Brennen oder Schmerzen spüren oder der Urin leicht rötlich verfärbt ist, müssen Sie sofort Ärztin oder Arzt informieren. Um solchen Blasenentzündungen vorzubeugen, können Ärztin oder Arzt den Wirkstoff Mesna geben oder Bikarbonat-Infusionen legen. Mesna neutralisiert die Abbauprodukte von Cyclophosphamid im Blut; Bikarbonat verringert den Säureanteil des Urins, so dass die Blasenschleimhaut weniger gereizt wird. Bikarbonat dürfen Sie jedoch nicht bekommen, wenn Sie gleichzeitig entwässernde Mittel (Diuretika) einnehmen, weil Cyclophosphamid dann noch giftiger wirkt. Der Urin sollte 1 x wöchentlich kontrolliert werden. Wenn die Anzahl der weißen Blutkörperchen stark absinkt, sollten Ärztin oder Arzt eine Behandlungspause einlegen. Selten und unbedenklich Braune Flecken an der Haut von Händen und Füßen, die nach Absetzen der Therapie nicht immer wieder verschwinden. Selten, aber gefährlich Wird Cyclophosphamid sehr hoch dosiert, kann es Herz und Nieren schädigen. Wenn Sie Cyclophosphamid jahrelang einnehmen müssen, können sich in der Blase bösartige Tumoren bilden. Hinweise Zur Verkehrstüchtigkeit Es kann vorkommen, dass Sie vorübergehend verschwommen sehen oder sich leicht schwindelig fühlen. Dann sollten Sie keine Fahrzeuge lenken, Maschinen bedienen und keine Arbeiten ohne sicheren Halt verrichten. Dacarbazin D Detimedac A Dacarbazin medac, DTIC-Dome Der Wirkmechanismus von Dacarbazin ist nicht ganz geklärt. Anwendung Dacarbazin wird (je nach Dosierung) alle 3-4 Wochen 1-5 Tage lang täglich infundiert. Da der Wirkstoff stark lichtempfindlich ist, muss er unbedingt dunkel aufbewahrt werden. Achtung Wenn Ihre Leberfunktion stark eingeschränkt ist, dürfen Sie kein Dacarbazin bekommen. Interferon alpha-2b, Interleukin-2 oder Tamoxifen (bei Brustkrebs) oder eine Überwärmungsbehandlung (Hyperthermie) können die Wirkung von Dacarbazin verstärken. Unerwünschte Wirkungen Häufig, aber unbedenklich Dacarbazin macht die Haut empfindlicher für Sonnenlicht. Auf Solarien und Sonnenbäder sollten Sie während der Behandlung verzichten. Selten, aber gefährlich Dacarbazin kann dazu führen, dass sich in der Lebervene ein Gerinnsel bildet (Lebervenenthrombose). Dies kann ein akutes, möglicherweise lebensbedrohliches Leberversagen zur Folge haben. Estramustin D Cellmustin, Estracyt, Multosin, Prostamustin A Estracyt Estramustin ist eine Verbindung aus einem Alkylans und einem Östrogen und reichert sich in der Prostata an. Es senkt u. a. den Spiegel des männlichen Geschlechtshormons Testosteron im Blut und wird deshalb vor allem bei Prostatatumoren eingesetzt. Anwendung Anfangs wird Estramustin 5-10 Tage täglich in die Vene geleitet (möglichst langsam über 3-5 Minuten, um zu vermeiden, dass die Haut an der Einstichstelle gereizt wird). Danach wird mit Kapseln zum Schlucken weiterbehandelt, meist als Dauertherapie. Die Kapseln verteilen Sie am besten auf insgesamt 3 Portionen und schlucken sie 1 Stunde vor oder mindestens 2 Stunden nach dem Essen. Achtung Unter folgenden Bedingungen dürfen Sie kein Estramustin bekommen: - Sie haben eine Venenentzündung (Thrombophlebitis).
- Sie hatten einen Herzinfarkt.
- Sie neigen zu Thrombosen.
Bei Speisen und Getränken Estramustin sollten Sie nicht gemeinsam mit Kalzium-haltigen Getränken einnehmen (Milch, Mineralwasser), weil diese die Aufnahme des Wirkstoffs ins Blut behindern. 1 Stunde vor und 2 Stunden nach der Einnahme sollten Sie deshalb auch nichts Kalzium-haltiges essen (Joghurt, Quark, Kefir, Dickmilch, Käse, Brokkoli, Porree). Unerwünschte Wirkungen Häufig, aber unbedenklich Schmerzen und Hitzegefühl im Damm und in der Prostataregion. Die Östrogenkomponenten im Wirkstoff können dazu führen, dass bei Männern das Brustgewebe anschwillt (Gynäkomastie). Da der Testosteronspiegel absinkt, geht die Lust auf Sex (Libido) zurück, und die Potenz läßt nach. Häufig und gefährlich Die Östrogenkomponente kann das Risiko für Thrombosen und Wassereinlagerungen im Gewebe (Ödeme) erhöhen. Selten, aber gefährlich Wenn in den ersten 6 Therapiewochen die Zahl der Blutzellen zu stark abnimmt, sollte die Dosis von Estramustin vorübergehend verringert werden. Haben sich die blutbildenden Zellen erholt, lässt sich die Dosis langsam wieder erhöhen. Stand: 22.06.2004
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